Gewerbliche Mieten und Lockdown – Wer trägt das Lockdown-Risiko?

Der durch die COVID-19-Pandemie verordnete Lockdown geht bei vielen Unternehmern und Gewerbetreibenden mit weitreichenden Umsatzeinbußen einher. Die meisten regelmäßigen Kosten wie zum Beispiel Mieten sind jedoch weiterhin zu zahlen. Vor dem Hintergrund, dass weder Mieter noch Vermieter einer gewerblichen Mietfläche die Ursache dafür gesetzt haben, dass die Mietsache während der Zeit des Lockdowns nicht genutzt werden kann, stellen sich alle Beteiligten die Frage, wer das Risiko hierfür trägt.

Vermieter stehen auf dem Standpunkt, dass sie die gewerbliche Mietfläche in absolut vertragsgemäßen Zustand zur Verfügung stellen und damit ihre Pflicht aus dem Mietvertrag erfüllen. Die Mieter sind hingegen der Ansicht, dass diese Leistung für sie im Moment wertlos ist, weil sie die – wenn auch völlig mangelfreie - Mietsache nicht nutzen dürfen. Auch Anwälte und Gerichte waren im letzten Jahr auf diesen Fall nicht vorbereitet und haben diverse Möglichkeiten einer juristischen Lösung diskutiert (Mangelhaftigkeit der Mietsache, Unmöglichkeit, etc.). Im Zuge der juristischen Diskussion drängte sich aber die Erkenntnis in den Vordergrund, dass es letztlich Geschäftsgrundlage eines Mietvertrages ist, dass man die Mietsache überhaupt benutzen kann. Dem schlossen sich immer mehr Gerichte an und verwiesen auf § 313 Abs. 1 BGB in welchem es heißt:

"Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.“

Die Erkenntnis, dass die Nutzbarkeit einer gewerblichen Mietsache im Allgemeinen zur Geschäftsgrundlage des Mietvertrages gehört, hat den Gesetzgeber im Dezember 2020 zu folgender gesetzlichen Feststellung veranlasst:

"Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der zur Grundlage des Mietvertrages geworden ist, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert hat."

Damit steht fest, dass eine lockdownbedingte Schließung von gewerblich genutzten Mietflächen die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages berührt und dass eine Vertragsanpassung verlangt werden kann. Was das im Einzelfall heißt, sagt der Gesetzgeber nicht und kann es auch nicht sagen. Denn wie das sog. „Verwendungsrisiko“ der Mietsache unter den Parteien des Mietvertrages zu verteilen ist, entscheidet sich nach den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalles, die unterschiedlich sein können, z. B. weil der Mietvertrag ausnahmsweise doch eine Regelung dieses Falles enthält oder der Mieter erhebliche staatliche Unterstützung erhalten hat, usw.. Im Allgemeinen wird es aber so sein, dass die Parteien eines Mietvertrages bei Vertragsabschluss nicht an einen Lockdown oder eine ähnliche Katastrophe gedacht haben und dass auch keine der Parteien eine Ursache dafür gesetzt hat, dass die Mietsache während der Zeit des Lockdowns nicht verwendet werden kann. Dann ist nach einem Urteil des OLG Dresden

“eine Reduzierung der Kaltmiete um 50 % gerechtfertigt"

und das Risiko gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen.

Eine Verteilung des Verwendungsrisikos der Mietsache auf diese Weise dürfte im Allgemeinen angemessen sein. Wie bereits erwähnt, können die Umstände des Einzelfalles aber eine abweichende Regelung erfordern. Jeder Mieter oder Vermieter, der sich mit dieser Thematik befassen muss, sollte deshalb sorgfältig alle Gesichtspunkte und Tatsachen zusammentragen, aus denen sich ergibt, ob für ihn die Regelung von 50 zu 50 oder eine andere Verteilung angemessen ist. Messlatte dafür wird sein, ob man – auf Tatsachen gestützt – geltend machen kann, dass man eine andere Regelung in den Vertrag aufgenommen hätte, wenn man bei Vertragsabschluss daran gedacht hätte, vgl. § 313 Abs. 1 BGB. Diese rückwärts gerichtete Spekulation wird oft schwer zu begründen sein. Ganz selten wird man begründen können, dass es im Einzelfall Gesichtspunkte gibt, die es nachvollziehbar machen, was man anders vereinbart hätte, wenn man das Risiko eines Lockdowns oder einer ähnlichen Situation bei Vertragsabschluss bedacht hätte.

Es wird daher richtig sein, die große Linie der 50 zu 50 - Regelung zugrunde zu legen, aber immer zu prüfen, ob es Tatsachen gibt, die für den Einzelfall eine hiervon abweichende Verteilung des Verwendungsrisikos oder mindestens eine andere Feinjustierung rechtfertigen. Bei Wertungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien des Mietvertrages wird eine juristische Beratung oder Begleitung jedoch vermutlich unumgänglich sein.

Haben auch Sie Fragen im Zusammenhang mit Mietausfällen im Rahmen der COVID-19-Pandemie oder Probleme mit Ihrem Mieter/Vermieter? Wir beraten Sie gerne! Kontaktieren Sie uns einfach telefonisch über +49 351 44753 0, per Email an central@schaffrathlaw.de, oder erkundigen Sie sich weiter auf unserer Website über uns www.schaffrathlaw.de.

 

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4. März 2021

Peter Schaffrath

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