Anforderungen an Insolvenzanfechtungen

Der BGH hat in einer Entscheidung vom 07.05.2020 (Az.: IX ZR 18/19) erneut entschieden, dass bei einer Insolvenzanfechtung nicht schematisch auf Kenntnis und Benachteiligungsvorsatz des Zahlungsempfängers geschlossen werden könne. Hat ein Insolvenzverwalter die Zahlung des Insolvenzschuldners an einen Gläubiger aufgrund von § 133 InsO angefochten, müsse vielmehr im Einzelfall aufgrund der Gesamtumstände ermittelt werden, inwieweit die Beteiligten die Zahlungsunfähigkeit kannten, der Schuldner dabei den Vorsatz hatte, andere Gläubiger zu benachteiligen und der Zahlungsempfänger/Gläubiger hiervon Kenntnis hatte. In derselben Entscheidung hat der BGH sich erstmals zur Reichweite des 2017 eingeführten § 133 Abs. 3 S. 2 InsO positioniert.

 

Zum Fall

Im konkreten Fall hatte eine Bank dem späteren Insolvenzschuldner ein Darlehn gewährt. Nachdem einige aufeinanderfolgende Darlehnsraten ausgeblieben waren, kündigte die Bank den Kredit. In der Folge schlossen der spätere Insolvenzschuldner und die Bank, die nicht die - regelmäßig besser informierte - Hausbank des Insolvenzschuldners war, eine Ratenzahlungsvereinbarung über den noch ausstehenden Betrag. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens focht der Insolvenzverwalter die daraus erfolgten Ratenzahlungen an und verlangte sie von der Bank zurück. Die ersten beiden Gerichtsinstanzen haben ihm Recht gegeben. Die von der Bank hiergegen vor dem Bundesgerichtshof durchgeführte Revision war jedoch erfolgreich.

 

Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO

Die Insolvenzanfechtung von Zahlungen, die mehr als drei Monate vor dem Insolvenzeröffnungsantrag liegen, hat im Wesentlichen drei Voraussetzungen:

  • Kenntnis des Schuldners von seiner Zahlungsunfähigkeit
  • Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners
  • Kenntnis des Zahlungsempfängers über den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz

 

Wann hat der Insolvenzschuldner Gläubigerbenachteiligungsvorsatz?

Mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist das Wissen und Wollen des Insolvenzschuldners gemeint, dass eine seiner Zahlungen an einen bestimmten Gläubiger die Mehrheit der anderen Gläubiger benachteiligt, die Masse also insoweit verkürzt. Hinsichtlich dieses Vorsatzes hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung aufrechterhalten und erneut entschieden, dass die Kenntnis des Schuldners über die eigene Zahlungsunfähigkeit nur ein starkes Indiz für seinen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Aus der Kenntnis des Insolvenzschuldners über seine Zahlungsunfähigkeit allein könne nicht schematisch auf seinen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. Vielmehr müsse der Insolvenzverwalter weitere Umstände darlegen. Das mit der Sache befasste Gericht müsse demnach auch diese weiteren Umstände zum Gegenstand der Verhandlung und ggf. einer Beweisaufnahme machen und sie im Rahmen einer Gesamtwürdigung heranziehen.

 

Wann hat der Zahlungsempfänger Kenntnis über den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners?

Die Kenntnis des Zahlungsempfängers über den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Insolvenzschuldners wird nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO gesetzlich vermutet, wenn die beiden folgenden Voraussetzungen vorliegen:

  • Kenntnis des Zahlungsempfängers über die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners
  • Kenntnis des Zahlungsempfängers über die Gläubigerbenachteiligung.

 

Kann aus dem Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung abgeleitet werden, dass der Zahlungsempfänger/Gläubiger Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners hatte?

Hinsichtlich der Kenntnis des Zahlungsempfängers/Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hat der Gesetzgeber im Jahr 2017 die Regelung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO eingeführt. Nach dem Wortlaut dieser Norm wird bei Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung vermutet, dass der Gläubiger bei deren Abschluss die Zahlungsunfähigkeit nicht kannte. Hierzu hat der BGH erstmals ausgeführt, dass diese Norm lediglich eine an den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung anknüpfende widerlegliche Vermutung beinhaltet. Stützt sich also der anfechtende Insolvenzverwalter lediglich darauf, dass eine Ratenzahlungsvereinbarung zwischen dem Insolvenzschuldner und dem Zahlungsempfänger/Gläubiger geschlossen worden sei oder der Insolvenzschuldner zuvor um Gewährung einer solchen gebeten habe, erlaube dies allein keinen Rückschluss auf eine etwaige Kenntnis des Zahlungsempfängers/Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldners. Der Insolvenzverwalter müsse vielmehr andere Umstände vortragen, aus denen sich die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ergibt. Dazu zählten nach dem BGH auch zuvor ausgebliebene Zahlungen, die auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit schließen ließen.

 

Folgt aus der Kenntnis über die Zahlungsunfähigkeit automatisch auch Kenntnis über die Gläubigerbenachteiligung?

Nein, aber sie stehen in einem engen Zusammenhang. Weiß der Zahlungsempfänger/Gläubiger von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners, muss er grundsätzlich auch davon ausgehen, dass Zahlungen an ihn selbst andere Gläubiger benachteiligen. Deshalb indiziert das Vorliegen der ersten Vermutungsvoraussetzung regelmäßig auch das Vorliegen der zweiten (BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 - IX ZR 285/16, WM 2017, 1221 Rn. 8). Einer zu schematischen Herangehensweise hat der BGH mit Verweis auf seine frühere Rechtsprechung jedoch erneut einen Riegel vorgeschoben. Ein Zahlungsempfänger könne nämlich nur dann davon ausgehen, dass Zahlungen an ihn andere Gläubiger benachteiligen, wenn er wisse, dass es überhaupt andere Gläubiger gebe, deren Forderungen vom Schuldner nicht vollständig bedient würden. Sein positives Wissen hierüber müsse aber vom Insolvenzverwalter dargelegt und bewiesen werden. Das gelte insbesondere dann, wenn es sich beim Gläubiger nicht um die Hausbank des Insolvenzschuldners, sondern um eine finanzierende Bank handele. Damit, dass der Schuldner auch noch andere Gläubiger habe, müsse ein Zahlungsempfänger jedenfalls dann rechnen, wenn der Schuldner unternehmerisch tätig sei. Dann wisse der Zahlungsempfänger regelmäßig auch, dass Leistungen des Insolvenzschuldners an ihn die Befriedigungsmöglichkeiten der anderen Gläubiger beeinträchtigten.

 

Für welche Art von Gläubigern gelten diese Grundsätze?

Diese Grundsätze gelten nicht nur für Banken, sondern lassen sich ohne weiteres auf Lieferanten und jeden anderen (ehemaligen) Gläubiger eines Insolvenzschuldners übertragen.

 

 

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30. Oktober 2020

Valentin Schaffrath

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